Dr. Jens-Uwe Martens

Persönlichkeits-Coach, Autor & Berater seit 1967

In Sorge um Deutschland 2

Mein letzter Blog hat — für mich erschreckend — sehr viel Resonanz ausgelöst und zwar durchweg zustimmende Antworten. Das mag damit zusammenhängen, dass ich ihn primär an meine Bekannten und Freunde verschicke, aber vorhergehende Blogs haben durchaus Widerspruch ausgelöst — nicht so der letzte. Sind denn meine Sorgen so sehr gerechtfertigt? Daher hier noch eine Fortsetzung, die vielleicht wenigstens die Richtung einer Lösung andeutet.

Damit Ihr meine Einstellung richtig einordnen könnt, sollte ich kurz zusammenfassen, woher meine politische Orientierung kommt:

Mir geht es gut. Ich habe den phantastischen Aufschwung Deutschlands in den letzten achtzig Jahren miterlebt — und davon auch persönlich sehr profitiert. Deutschland hat sich in dieser Zeit von einer Nation, die nach dem selbst angezettelten und dann verlorenen zweiten Weltkrieg völlig darnieder lag, zur wirtschaftlich stärksten Nation Europas entwickelt. Meine Herkunftsfamilie und ich waren selbst „Flüchtlinge“, wissen, was es bedeutet, wenn man hungrig und durstig nicht von dem ersehnten Flüchtlingslager aufgenommen wird, weil dieses überfüllt ist. Allerdings sind wir nur von dem durch Russland besetzten Osten Deutschlands in den Westen „geflohen“.

Wie gesagt: Heute geht es mir gut, wenn ich auch als Pensionär von der Substanz lebe. Das ist wohl kein Problem für einen über 80-jährigen. Aber lebt Deutschland nicht auch seit Jahren von der Substanz? Allerdings hinkt dieser Vergleich enorm, das muss ich zugeben — denn ich persönlich kann kein „Sondervermögen“ beschließen. (Was würde wohl meine Bank sagen, wenn ich ihr vorschlage, dass sie für mich ein Konto mit einem „Sondervermögen“ von — sagen wir bescheiden — nur einer Million Euro einrichten soll?)

Meine politische Einstellung war immer links-liberal, obwohl ich immer Unternehmer war. Ich habe sie wohl von meinen Eltern übernommen, wenn ich auch nicht so links eingestellt war, wie meine Mutter, die (vor dem Bekanntwerden der entsetzlichen Fehlentscheidungen Maos) die „rote Mao-Bibel“ auf ihrem Nachtisch liegen hatte. – Heute weiß ich nicht mehr, wo ich mich einordnen soll.

Ich wiederhole noch einmal: Mit geht es gut, aber ich habe ein Problem, das wohl damit zusammenhängt, dass ich mich zu viel mit der Politik unseres Landes auseinandersetze.

Im Prinzip unterstütze ich die Politik unserer Regierung:

  • Ich finde es gut, dass wir politische Flüchtlinge aufnehmen. Wie gesagt, ich kann mich sehr gut in die Lage der Flüchtlinge versetzten — aber übernehmen wir uns nicht?
  • Ich finde es gut, dass wir das Unsere dazu tun, dass der Klimawandel eingeschränkt wird — aber können wir das wirklich leisten, sind wir im Vergleich zu unserem Planeten nicht viel zu klein?
  • Ich finde es gut, dass wir unseren Beitrag in der Weltpolitik übernehmen, dass wir unsere Soldaten in andere Länder geschickt haben und schicken, um dort eine stabile, demokratische Regierung zu unterstützen — aber schaffen wir das wirklich? (Siehe Afghanistan, siehe Mali.)
  • Ich finde es gut, dass wir die Armen in unserem Land (mich würde interessieren, wie viele davon „Migrationshintergrund“ haben) unterstützen — aber tun wir das nicht schon zu genüge? (Ich war beruflich viel in Südafrika und habe mich da für die Slumbewohner, die „Underprivileged“ eingesetzt, die in selbstgezimmerten Holz- und Blechhütten damals ohne fließendes Wasser und Strom wohnten. Ich weiß was Armut in anderen Ländern bedeutet.)
  • Ich finde es gut und freue mich sehr darüber, dass die europäischen Grenzen weitgehend gefallen sind und wir wohl keinen Krieg mehr zwischen den Ländern Westeuropas erleben werden. Wir sollten nach Kräften dafür kämpfen, dass es einmal Europa in der Welt und innerhalb Europas als Einheit auftritt, dass es einmal die „Vereinigten Staaten von Europa“ gibt — aber ist dieses Ziel nicht utopisch? (Ich erwähne nur Ungarn und Polen.)
  • Ich finde es gut, dass die USA unser Partner ist und wir uns weitgehend an ihrer Politik orientieren und uns noch heute auf die militärische Stärke Amerikas verlassen — aber vergessen wir dabei nicht, dass auch die USA im Zweifel ihre eigenen Interessen ohne Skrupel durchsetzt?
  • Ich finde es gut, dass wir Israel und die Juden unterstützen und zu unserer unsäglichen Vergangenheit stehen (meine Eltern hatte jüdische Freunde, die vor den Nazis fliehen mussten und zum Glück konnten) — aber dürfen wir wirklich deshalb keine Kritik gegenüber der jüngsten politischen Entwicklung in Israel üben?
  • Ich finde es gut, dass wir dafür sorgen, dass die Frauen nicht benachteiligt werden und dass wir das auch in unserer Sprache berücksichtigen — aber übertreiben wir hier nicht?
  • Ich finde es gut, dass wir uns um eine Verbesserung unserer Welt kümmern — aber vernachlässigen wir dabei nicht den Motor unseres Wohlstandes, unsere Industrie? (Wir sind das Schlusslicht im Wirtschaftswachstum in Europa, sogar hinter dem vom Brexit gebeutelten England und dem mit Sanktionen belegten Russland. Wie lange können wir uns das noch leisten?)

Wenn ich solche Fragen stelle, bin ich dann schon politisch „rechts“ einzuordnen? Bin ich auf dem Weg ein AFD-Wähler zu werden? Sicher nicht, denn ich habe den Werdegang und die Verbrechen der Nazis zu deutlich von Augen. Aber wie reagieren die Mitbürger, in meinem Land, die jünger sind als ich (und das sind inzwischen die allermeisten), und die vielleicht auch den einen oder anderen der oben formulierten Zweifel haben. Wissen die wirklich, welche Gefahren in einem „Besinnen auf die eigenen Interessen“ (Populismus) oder in dem Erwachen von „dem Stolz Deutscher zu sein“ und sich von „den Anderen“ abzugrenzen liegen?

Wie gesagt, mir geht es gut. Ich habe die Vorteile unserer Demokratie und die letztlich entsetzlichen Auswirkungen der Politik eines „starken Führers“ erlebt. Wem es gut geht, der sinnt nicht auf Umsturz. Was aber geschieht, wenn es der Mehrheit in Deutschland nicht mehr so gut geht? Wiederholt sich dann das, was Deutschland 1933 erlebt hat?

Ich danke für die Reaktion auf meinen letzten Blog und freue mich auf Eure Kommentare zu diesem.

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