Dr. Jens-Uwe Martens

Persönlichkeits-Coach, Autor & Berater seit 1967

Über die Liebe

Liebe Freunde und Bekannte,

bisher habe ich Blogs zum Zeitgeschehen veröffentlicht. Heute möchte ich mit Euch ein paar Ideen zu einem Thema teilen, das zeitlos und doch immer in unserem Leben aktuell ist. Ich hoffe, es findet Euer Interesse und ich bekomme wieder viele Rückmeldungen und Anregungen. 

Über die Liebe

Die Liebe ist ein wunderschönes Gefühl, wir alle sehnen uns immer wieder danach: Wir sehnen uns danach, geliebt zu werden und wer sich einmal den Unterschied bewusst gemacht hat, oder wer einmal nicht mehr fühlen konnte, der sehnt sich vor allem auch danach, lieben zu können.

Das Wort „Liebe“ wird sehr umfassend gebraucht. Wenn man über dieses Phänomen schreibt, muss man vielleicht zunächst klarstellen, was im Folgenden darunter verstanden werden soll. Ich nutze dazu hier die Definition von Wikipedia: Liebe ist demnach (nach engerem und verbreitetem Verständnis) „ein starkes Gefühl, mit der Haltung inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person (oder Personengruppe), die den Zweck oder den Nutzen einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine entgegenkommende tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt. Liebe kann unabhängig davon empfunden werden, ob sie erwidert wird oder nicht.“

Wir sprechen von der Liebe Gottes zu den Menschen, der Jesus geschickt hat, aus Liebe zu den Menschen und ihn geopfert hat, um die Menschen zu erlösen. Wir sprechen von der Mutterliebe, als der stärksten Kraft, ohne die wir als Kleinkinder nicht gedeihen können (Hospitalismus). Hier möchte ich aber vor allem über die Liebe von Paaren schreiben, die im Idealfall zu einer engen Verbundenheit der Partner führt, in der sie ihre Erfüllung finden. 

Es gibt unzählige Bücher über die Liebe. Philosophen, Psychologen, Neurologen, Mystiker, Priester, Naturwissenschaftler und nicht zuletzt Dichter und Romanautoren haben sich mit diesem Gefühl beschäftigt und versucht, es zu erklären. Und doch gibt es bisher kein Buch, das die Liebe endgültig, befriedigend beschreibt. Es kommt mir so vor, als ob man ein klares Bild von einer flüchtigen Erscheinung zeichnen wollte, die auch noch von dichtem Nebel umgeben ist. Man erkennt ab und zu Umrisse, um dann wieder zu realisieren, dass da nur einen Teil sichtbar wurde oder es sich wahrscheinlich doch um eine Täuschung handelte. Vielleicht wollen wir die Liebe auch gar nicht klar sehen, denn dann würde unter Umständen der Zauber, der in diesem Phänomen steckt, verschwinden.

Was ist die Liebe? Ist sie sexuelle Anziehung, ist sie lebenslange oder auch nur temporäre Verbundenheit zu einem „geliebten“ Partner? Unterscheidet sie sich von dem Verliebt-Sein?

Auch ich, wie wohl alle, die über ihr Leben nachdenken, bin von diesem Gefühl überwältigt und verwirrt. Es gab wohl seit meiner Pubertät kaum einen Tag, an dem ich nicht – wenigstens einige Augenblicke – an Liebe gedacht habe, und doch weiß ich bis heute nicht, was ich davon halten soll. 

Bei meiner Beratung als Coach erlebe ich immer wieder, dass die Liebe eine Sehnsucht darstellt, für deren Erfüllung wir kaum etwas tun können. Ist die Liebe also ein Geschenk, das uns das Schicksal gewährt, ober ist sie wie Covey sagt, ein Tun? Können wir Liebe durch unser Verhalten herstellen oder wenigstens durch unser Tun erhalten? Ich habe immer davon geträumt, dass ich eines Tages ein Buch über die Liebe schreiben werde, dann, wenn ich weiß, was das ist. Bis heute bin ich noch nicht so weit gekommen.

Allerdings habe ich durch im Laufe meines Lebens ein paar Erkenntnisse über die Liebe gewonnen, die ich gerne hier zur Diskussion stellen möchte. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich – so wie auf meinen letzten Blog über die künstliche Intelligenz – viele Zuschriften bekomme, die mich in meinen Überlegungen weiterbringen und auf die ich auch gerne antworten werde.

1. Verliebt-Sein, sexuelle Anziehung und Liebe:

Ich habe persönlich erlebt, dass Liebe, Verliebt-Sein und sexuelle Anziehung drei unterschiedliche Zustände sind, die aber oft in einen Topf geworfen werden. Ich bin überzeugt, dass eine Voraussetzung für eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Phänomen Liebe darin besteht, dass man diese drei Zustände getrennt betrachtet.

Ich war mit 14 Jahren das erste Mal verliebt, ohne dass ich die Person, die mein Verliebt-Sein ausgelöst hat, sexuell begehrte. Das Gefühl überfiel mich, ließ mich nicht mehr schlafen und machte mich glücklich. Natürlich wollte ich bei ihr sein, was aber nicht möglich war. Ich habe diesen Rausch des Verliebt-Seins trotzdem genossen. (Viel später, nach meinem Psychologie-Studium habe ich mich immer wieder gefragt, was diese Frau an sich hatte, das dieses Verliebt-Sein ausgelöst hat. Ich habe keinerlei Erklärungen gefunden, die mich auch nur halbwegs befriedigte. Sie hatte nichts Besonderes an sich, durch das sie sich von den vielen anderen Frauen unterschieden hätte, denen ich vorher und seitdem begegnet bin.)

Natürlich erlebe ich auch seit meiner Pubertät sexuelle Anziehung. Es ist wahrscheinlich meiner etwas puritanischen Erziehung geschuldet, dass ich dieses Gefühl zunächst als eher „fremd“, nicht zu mir gehörig, als „schmutzig“ erlebt habe. Ich habe mich dagegen gewehrt, konnte es aber auch nicht aus mir verbannen.

Es ist mir schließlich Jahre später gelungen, Verliebt-Sein und sexuelle Anziehung zusammenzubringen und auf eine Person zu beziehen, die meine Gefühle erwiderte und mit der ich die Erfüllung der Liebe (der Begriff „Liebe“ hier im engeren Sinn gemeint) erleben konnte. Ich heiratete sehr jung und unsere zwei Kinder betrachteten wir als die Frucht dieser Liebe. Wir fühlten uns wie im siebten Himmel. Meine Liebe bezog sich auf meine Frau so sehr wie auf meine Kinder.
(Später habe ich erfahren, dass diese drei Zustände, Verliebtsein, sexuelle Anziehung und Liebe tatsächlich auch körperlich getrennt werden können, dass sie durch unterschiedliche Hormone hervorgerufen oder begleitet werden und in verschiedenen Hirnzentren ihren Ursprung und wahrscheinlich auch ihre Steuerung haben. Ich fühlte mich bestätigt, denn ich hatte diese drei Phänomene immer als getrennt wahrgenommen. Damit möchte ich allerdings auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als seien die körperlichen Vorgänge und das psychische Erleben ein und dasselbe. Was wir Liebe nennen ist nach meiner festen Überzeugung mehr und größer als jeder biologische oder chemische Vorgang in unserem Körper.)

2. Verlust der Fähigkeit zu fühlen:

Nachdem ich meine erste Familie durch einen Unfall verloren hatte, konnte ich nicht mehr fühlen. Ich lief wie ein Zombie durch die Welt, ich reagierte, aber ich wusste nicht mehr warum, was der tiefere Sinn von allem sei. Alles hatte seine Selbstverständlichkeit verloren, mein ganzes Leben wurde von mir in Frage gestellt. Ich war orientierungslos. Häufig ging ich zum Grab meiner Familie, um wenigstens die Trauer zu erleben, das einzige Gefühl, dass ich – wenigstens immer wieder einmal – erleben konnte. Natürlich sehnte ich mich zurück nach dem Paradies, das ich verloren hatte. Ich wünschte mir den beglückenden Zustand zurück, von meiner Familie geliebt zu werden, aber mehr noch sehnte ich mich nach dem Gefühl, dass ich damals selbst meiner Frau und meinen Kindern entgegengebracht habe.
(Ich habe in meinem Leben immer wieder beim Coaching aber auch im privaten Umgang Personen getroffen, bei denen ich eine ähnliche Unfähigkeit zu lieben zu erkennen glaubte. Wie gut konnte ich sie verstehen und ich fragte mich, ob bei Ihnen ähnliche Mechanismen eine Rolle spielten?)

3. Angst vor der Liebe:

In dieser Zeit, auf der Suche nach dem verlorenen Schatz, wurde ich zum „Playboy“, zu einem, der Frauen „eroberte“, um immer wieder enttäuscht zu werden. Es war mir damals nicht klar, dass ich mich nach der Liebe sehnte, vor ihr aber gleichzeitig Angst hatte. Erst Jahrzehnte später erkannte ich, dass ich mich damals vor dem Gefühl der Verbundenheit, der Zugehörigkeit, der Geborgenheit, das mit der Liebe verbunden ist und nach dem ich mich so sehr sehnte, letztlich fürchtete. Mein tiefes, mich steuerndes Unbewusstes, das viel klüger ist und war, als es mein bewusster Denkapparat, wusste genau: noch einmal würde ich einen solchen Verlust nicht überleben und daher musste ich eine so enge Bindung, wie sie die Liebe mit sich brachte, vermeiden, denn sie ist immer auch mit der Gefahr des Scheiterns verbunden.
(Ich bin seitdem vielen Menschen begegnet, die aus welchen Gründen auch immer, ähnliche Angst vor der echten, wahren, erfüllten Liebe haben, ohne sich dessen bewusst zu sein.)

4. Lieben lernen:

Viele, viele Jahre später traf ich eine Partnerin, die es sich zum Ziel gemacht hatte, mich (emotional) wieder gesund zu machen. Mit ihr habe ich mühsam wieder gelernt, zu lieben:

  • Ich musste mir eingestehen, dass ich aus Feigheit mein Herz zugemacht hatte. Ich fürchtete mich weitgehend unbewusst davor, enttäuscht zu werden oder noch einmal einen entsetzlich schmerzlichen Verlust zu erleben. Ich wollte mich nicht für die Liebe öffnen, vielleicht konnte ich es auch gar nicht
  • Ich musste lernen, aus dem reinen Reagieren auf die Umwelt, ich nenne es: aus dem Roboter-Dasein herauszukommen. Ich musste lernen, mich wieder authentisch, von innen heraus zu verhalten, nicht auf Grund der Erwartungen meiner Umgebung. Ich musste mich wieder finden. Das war auch die Voraussetzung dafür, dass ich das wahre Innere meiner Partnerin erkennen konnte und in ihr nicht nur die Projektion meiner eigenen Bedürfnisse sah. (In der Bibel kann man davon lesen, dass sich ein Paar „erkannte“, wenn damit ausgedrückt werden sollte, dass es ein Liebespaar wurde.)
  • Und so haben meine Partnerin und ich uns langsam „erkannt“ und unsere Selbstbilder kompatibel gemacht, vielleicht sogar angeglichen. Wir haben uns (ganz langsam) vollkommen geöffnet und so Vertrauen in das Leben, in das eigene Schicksal und schließlich auch in den Anderen zurückgewonnen.
  • Dabei habe ich noch eine andere „Entdeckung“ gemacht: Die sexuelle Seite der Liebe beruht in der ersten Phase wesentlich auf „Signalen“, auf sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften des Partners oder der Partnerin, auf die wir mit körperlicher Anziehung reagieren. Das können das Aussehen sein, oder taktile Reize (wie sich der Andere anfühlt) vor allem aber sind es auch olfaktorische Merkmale (wie reagiere ich auf den Geruch des Partners oder der Partnerin). Auf dieses Signale reagieren wir spontan von Anfang an oder wir lernen im Laufe der Partnerschaft sie mit schönen Gefühlen zu verbinden. Nach vielen Jahren der Gewöhnung, oder vielleicht sogar nach Jahrzehnten spielen diese Signale zwar immer noch eine gewisse Rolle, wichtiger aber wird die seelische Verbundenheit, die Tatsache, dass man den Anderen so gut kennt, seine Bedürfnisse, seine ausgesprochenen oder unausgesprochenen Wünsche – und seine Seele. Der Partner oder die Partnerin wird primär sexuell attraktiv für uns, weil wir uns in ihn oder sie seelisch versenken können. Das wird uns vor allem dann bewusst, wenn nach einem Streit, nach einer stressbeladenen Situation endlich die Versöhnung Oberhand gewinnt und wir uns wieder sehr nahekommen können.

War das ein typischer Weg zu einer Liebe? Kennt Ihr das auch? Habt auch Ihr solche Erfahrungen gemacht?

5. Liebe erhalten:

Die Liebe zu einer Person drückt sich in unterschiedlichem Verhalten aus. Das kann darin bestehen, dass wir der geliebten Person Blumen mitbringen oder unserem Partner (ehrliche) Komplimente machen, oder ganz allgemein ausgedrückt: dass wir uns Gedanken machen, wie wir diese geliebte Person neben uns „glücklich“ und zufrieden machen können. In der Anfangsphase einer Beziehung, wenn wir uns um den Partner bemühen, wenn wir ihn für uns zu gewinnen versuchen, ist das selbstverständlich. Die Gefahr liegt im Alltag. Der Partner wird zur Selbstverständlichkeit. Aus dem Wunsch, den Partner glücklich zu machen, wird die Erwartung, vom Partner glücklich gemacht zu werden. Und wenn wir uns einmal nicht gut fühlen, so kommen wir schnell auf die Idee, dass der Partner dafür verantwortlich sein könnte. 

In dieser Phase ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass sich zwar Gefühle in Verhalten ausdrücken, dass aber ebenso sehr unser Verhalten die eigenen Gefühle erhalten, vielleicht sogar wiedererwecken können. In einem Buch habe ich einmal die Erkenntnis gelesen: „Lieben ist ein Tätigkeitswort!“ Nur wenn wir Liebe immer wieder durch unser Verhalten bestätigen, bleibt sie langfristig erhalten. 

Wenn die unglücklichen Momente im Zusammenleben (z. B. Streit, Auseinandersetzung, übermäßiger negativer Stress) überwiegen, dann sind wahrscheinlich die Stunden oder Tage der Liebe gezählt. Wenn wir dagegen immer wieder durch gemeinsame Unternehmungen schöne Gefühle entstehen lassen, dann freuen wir uns darauf, den nächsten Tag zusammen zu erleben, dann erübrigt sich der Gedanke an Trennung. Die Königsdisziplin einer langfristigen, glücklichen Beziehung besteht darin, gemeinsame Erlebnisse zu schaffen, in denen beide Partner Glücksmomente erleben.
(Meine Überzeugung: Mehrere Jahrzehnte lang bleibt keine Liebe bestehen, die diese „Erkenntnis“ nicht in die Tat umsetzt. Und: Letztlich sind wir für unsere eigenen Gefühle, auch für das Gefühl der Liebe, selbst verantwortlich.)

Ich bin mir bewusst, dass ich hier keine „wissenschaftlichen“ Erkenntnisse formuliert habe, dass ich der Versuchung erlegen bin, eigene Erfahrungen zu verallgemeinern. (Kann man die Liebe überhaupt „wissenschaftlich“, also empirisch erforschen und erklären?) Ich bin mir bewusst, dass ich meinen individuellen, hindernisreichen Weg zu einer Liebe beschrieben habe. Natürlich musste ich dabei auch meine Erfahrungen deutlich vereinfachen und viele kleine und größere Um- und Seitenwege weglassen. Sonst wäre es eine Autobiographie geworden. Sicher sind meine Erfahrungen einmalig, so wie jedes Schicksal einmalig ist. 

Es würde mich sehr interessieren, ob nicht doch der Eine oder die Andere Ähnliches erlebt hat. Ob nicht der Eine oder die Andere zusätzliche Erkenntnisse oder Zusammenhänge in seinem Leben entdeckt hat, die mit meinem Erleben vergleichbar sind.

Wenn ich in diesem Blog für Euch zu offen war, dann verzeiht mir bitte. Über die Liebe zu schreiben, ohne offen zu sein, ist für mich so, als ob ich ein Kochbuch lesen wollte, um satt zu werden. 

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